Steht Israel vor einem Abgrund? "JaHuWaH und Moshe redeten miteinander von Angesicht zu Angesicht, wie einer mit seinem Freund spricht (2Mo 33,11). Teil 7
Glaubensimpuls 628 von Gregor DalliardEs muss uns bewusst bleiben, dass die Verfasser der Bibel weitgehend Priester waren. Zur Zeit der persischen Herrschaft über die Juden ist Esra wohl der einflussreichste der Priester. Er ordnete die verschiedenen Bibeltexte neu, später arbeiteten noch etliche Redaktoren am Zustandekommen des TaNaCHs (des “ATs”) in der heutigen Abfassung.
Esra war ein persischer Beamter, Priester und Nachkomme des ersten Hohepriesters Aaron (vgl. Esra 7,1-5). Die babylonische Katastrophe war für ihn eine schreckliche Strafe JaHuWaHs, eine psychische Erschütterung (ein Trauma). Die Angst vor einem erneuten Gericht JaHuWaHs und dessen Folgen trieb den Hohepriester Esra zu rigorosen Massnahmen. Damit glaubte er in Zukunft eine erneute Strafe vermeiden zu können. Bei allen seinen gut gemeinten Absichten entglitt dem Priester Esra das Shma Jisrael, das die Liebe zu JaHuWaH und den Umgang mit dem Nächsten auf eine Stufe stellt. Das war das eine.
Das andere waren die geopolitischen Zusammenhänge. Sie wurden von den Priestern kontinuierlich ausgeklammert. Wir haben darüber im Gim 608 eingehend geschrieben. Wer die geopolitischen Zusammenhänge nicht berücksichtigt, macht JaHuWaH zu einem Gott/Götzen, zu einem Deppen. Die geopolitischen Zusammenhänge gehören zum Leben. Der Umgang mit ihnen erklärt manche Katastrophe. Sie werden von JaHuWaH und den Propheten nicht ausgeklammert.
Wie die Priester damals, so sind die meisten ultraorthodoxen Charedim und die meisten ultraorthodoxen Zionisten von einem tragischen Denken über JaHuWaH, den El Eljon geprägt, das ja vor allem in den Ersatznamen für JaHuWaH zum Ausdruck kommt. Davon werden sie nicht los. Wie die Priester damals, so klammern sie auch heute das geopolitischen Geschehen weitgehend aus, so z. B. den Holocaust. Für sie ist der Holocaust eine gerechte Strafe ihres HaShem. Das ist im Lichte der Propheten ein völliger Unsinn, eine Selbstzerfleischung.
Darum kann es gar nicht anders sein, als dass sie alles negative Geschehen (oder scheinbar negative Geschehen) als Strafe und Gericht ihres HaShem deuten und lehren. Das aber ist Götzendienst.
Religiöse Führer werden dann zu Monstern, besser gesagt, machen dann JaHuWaH, den El Eljon zu einem Gott, wenn sie sich eine Antwort auf Lebensfragen zurecht legen, auf die uns JaHuWaH keine Antworten gibt oder diametral entgegengesetzte, die diesen Führern nicht passen. Da JaHuWaH es nicht zulässt, dass die Menschen detaillierte Antworten auf die letzten Zusammenhänge des Lebens bekommen, konstruieren sie sich Antworten, die keine sind, weil sie schlichtweg nicht möglich sind. Diese “Antworten” aber holen JaHuWaH aus jenem Bereich, von dem uns der TaNaCH in aller Bescheidenheit folgendes sagt: “Dann sprach er (JaHuWaH zu Moshe): Du kannst es nicht ertragen mein Angesicht zu sehen; denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben” (2Mo 33,20).
Was heisst diese Bildsprache des Propheten? Uns bleiben gewisse Dinge des Lebens einfach unzugänglich. Diese Tatsache ist nur dann zu akzeptieren und zu ertragen, wenn wir schlicht und einfach, demütig und bescheiden unser ganzes Vertrauen bedingungslos in allem auf JaHuWaH setzen und daran arbeiten. Es wird alles gut und das macht uns frei.
Ist das der Fall, dann wird das in der Bildsprache der Propheten so ausgedrückt: “JaHuWaH und Moshe redeten miteinander von Angesicht zu Angesicht, wie einer mit seinem Freund spricht. Moshe ging ins Lager zurück, während sein Diener Josua, der Sohn Nuns, ein junger Mann, nicht vom Zelt wich” (2Mo 33,11).
Das ist, so bin ich überzeugt, unsere gegenwärtige Kraft im Leben und auch der Grund, der uns immer und immer wieder ermutigt in unserem Leben weiter zu gehen und dankbar zu bleiben.
Im Glaubensimpuls 412 vom 9. August 2019 haben wir uns darüber unterhalten: “Seine Grösse ist unerforschlich” (Ps 145,3). D. h.: Was wir zu einem Leben in seiner Fülle brauchen, das finden wir in den Quellen des TaNaCHs. Mehr brauchen wir nicht. “Alle meine Quellen sind in dir” (Ps 87,7).
Allen wünsche ich von Herzen einen gesegneten Shabbat Shalom.
Herzliche Grüsse
Gregor Dalliard
Ankündigungen
Wir laden dich herzlich zu unserem nächsten Bibeltreffen in Finsterhennen ein. Wir treffen uns wieder am 15. Dezember 2024 um 14,00 Uhr bei Martin und Kornelia Hunzinger-Schmid, Allmenhag 2, 2577 Finsterhennen. Wir freuen uns ganz fest auf die gemeinsame Zeit! Shalom!
In unregelmässigen Abständen publiziere ich Lebensimpulse (Lims).
Unter dem Kennwort Fragen Leserfragen (Lefs) möchte ich neu auf Leserfragen eingehen. Dabei werde ich auch aufschlussreiche und weiterführende Zusammenhänge anderer zu wichtigen biblischen Themen veröffentlichen.