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".. und er selbst fing an, Mangel zu leiden" Lk 15,14b

Glaubensimpuls 52 von Gregor Dalliard

aktualisiert 2024
Die meisten von uns wissen, was uns das Gleichnis vom “verlorenen” Sohn, besser vom barmherzigen Vater, sagen will. Das Gleichnis wird zwar unterschiedlich gedeutet, die Absicht Jahushuas ist eindeutig. Sie lässt keinen Zweifel zu. Er sagt: “Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.” (Mt 15,24). Er spricht hier auch von den “verlorenen” Schafen des Hauses Israel, aber vor allem jener Juden, die durch die Ausbeutung der Römer vor Erschöpfung JaHuWaH den Rücken zugewandt oder sich total von IHM gelöst hatten. Nach dem Tode Shlomos (Salomon) war es zur Teilung der zwölf Stämme gekommen, in das Nordreich und das Südreich. Das Haus Israel setzte sich aus den zehn Stämmen des Nordreichs zusammen. Die Assyrer deportierten die Oberschicht Israels und pflanzten fremde Völker in Israel ein. Als die Assyrer später gegen die zehn Stämme in den Krieg zogen, sind viele aus dem Nordreich ins Südreich geflohen, nach Juda und Benjamin.
Der ältere Sohn stellt im Gleichnis von Jahushua, das uns korrekt überliefert ist, Juda und Benjamin dar, das Südreich.
Das Südreich ist JaHuWaH grundsätzlich immer treu geblieben. Das bezeugt Jahushua in seinem Gleichnis: “Er (JaHuWaH) aber sprach zu ihm (zum älteren, treuen Sohn, d. h. zu Juda, den Juden): Kind, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, ist dein. Aber man muss doch jetzt fröhlich sein und sich freuen; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden und verloren und ist gefunden worden” (Lk 15,31-32).

Juda, so sagt Jahushua in seinem Gleichnis, ist also immer beim Vater JaHuWaH geblieben, trotz vieler Irrungen und Wirrungen. Alles was dem Vater JaHuWaH gehört, SEINE Absichten und SEINE Ziele mit der Menschheit sind immer auch den Juden zugesprochen, nur müssen diese beim Vater bleiben und lernen dessen Willen umzusetzen: “und alles, was mein ist, ist dein”, sonst geht es ihnen wie dem “verlorenen” Sohn. Jahushua will die gläubigen Juden daran erinnern, sich ihrer Erwählung, Berufung und Verpflichtung (des Auftrages) durch JaHuWaH bewusst zu bleiben, neu bewusst zu werden, indem sie allem Verlorenen nachgehen, es suchen und zurück zu JaHuWaH, zu seiner Herde bringen.
Durch die grausame Unterdrückung und Ausbeutung der römischen Besatzer haben sich viele Juden von JaHuWaH losgesagt. Offenbar haben sich viele nicht mehr bemüht den Auftrag JaHuWaHs auszuleben, sie haben ihn vernachlässigt und aufgegeben. Offenbar haben sich führende Leute nur noch mit sich selbst und ihrem Vorteil unter den Römern beschäftigt, andere mit ihrer eigenen Frömmigkeit, mit einer frommen Genügsamkeit.
Jahushua aber sagte: “Und ich muss noch andere Schafe suchen, die nicht in diesem Hof sind; auch diese muss ich bringen, und sie werden meine Stimme hören, meinen Aufruf zur Umkehr und Treue zu JaHuWaH, und es wird eine Herde, ein Hirte sein” (Joh 10,16; vgl. dazu Mk 2,17; Mt 10,5-6; 9,13; 18,11; Lk 5,32; 15,1-10; 19,10).

Spricht der TaNaCH (“AT”) von Schaf oder Schafen, dann sind zuerst immer die Menschen aus dem Volk der zwölf Stämme und deren Nachkommen gemeint. Es handelt sich also nicht um die Gründung des Christentums, um die Gründung der christlichen Kirche als eine neue Herde. Diese Denkweise, dieses irrige System hat bis heute den Menschen unsägliches Leid zugefügt, vor allem den Judfen. Hirte ist immer JaHuWaH. Der Auftrag des Jahushua von Nazareth bestand also darin, die verlorenen Schafe nach Hause, in die Herde JaHuWaHs (zu JaHuWaH) zurückzuführen. Die echten Absichten, Tätigkeiten und Aussagen des Jahushua von Nazareth sind von Paulus in schändlicher Weise umgedeutet worden. Diese Umdeutung wurde später von den Verfassern der Evangelien übernommen und weiter tradiert (Ersatztheologie). Sie haben nicht mehr JaHuWaH im Blickfeld, sondern den von Paulus entjudaisierten Jahushua (Jeshua), den er in eine griechische Obergottheit Jesus Christus umgewandelt hat (vgl. Gal 1,8-9; 1Kor 16,22; 2Kor 5,19-21; Gal4,4; Röm 1,1-4 u. a. m.).
Im Zuge des Antijudaismus wurden JaHuWaH, die Lehre der Propheten, die Erwählung, Berufung und Sendung der Herde JaHuWaHs, zu der auch der Dienst Jahushuas von Nazareth gehörte, schrittweise umgedeutet. Damit bekam die christliche Ersatztheologie ihren festen Platz als Basis der der Lehre und Denkweise des Christentums. Diese Denkweise wurde systematisch auf die Politiker und die christlichen Menschenmassen übertragen. Damit wurde der Antijudaismus/Antisemitismus zum Wesen der christlichen Kultur. Die schrecklichen Folgen der Ersatztheologie in den vergangenen bald 2000 Jahren machen heute viele Menschen fassungslos! Heute kommt ans Licht, was rund 2000 Jahre mit Finsternis, dem angeblichen Licht zugedeckt war. Wie gehen wir damit um?

Im Gleichnis von Lk 15,11-32 begegnet uns ein junger Mann, der von der Lebensfülle des Vaterhauses weggeht, d. h. von der Erwählung, Berufung und Sendung der zwölf Stämme. Er geht zu den Göttern der römischen Besatzern, die Judäa auch zur Zeit Jahushuas von Nazareth terrorisierten. Das Joch der Römer war grausam, nicht mehr auszuhalten. Er ist überzeugt, sich dem Auftrag JaHuWaHs entziehen zu können. Das mit JaHuWaH nicht Kompatible, was JaHuWaH widerspricht, scheint ihm der Weg aus dieser Not zu sein. Er kann mit der Fülle des Segens im Hause des Vaters nicht umgehen, er nimmt sie nicht wahr. Er hat sie wohl nie vollkommen in sich aufgenommen und wirken lassen.
Es ist das, was der Vater eigentlich will, nämlich, dass der Sohn SEINE Weisungen und Verheissungen hört und vollkommen verinnerlicht, sie zu seinen Gedanken und Absichten macht. Das ist gemeint, wenn Jahushua von Nazareth betont: “Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist” (Mt 5,48). Diese Aussage ist von den Schreibern der “Evangelien” zu einem völlig sinnlosen Kontext umgedeutet worden.
Der Sohn gehört zwar zur Familie JaHuWaHs, zum auserwählten Volk. Er ist Hausgenosse. Vielleicht hat er nie ernsthaft darüber nachgedacht, was ihm im Hause des Vaters mit den Verpflichtungen auch alles an Segen und innerem Frieden geschenkt ist, was ihm hier zur Verfügung steht, woran er unverdienterweise teilhaben darf, wie er damit umgehen sollte, wie er darin glücklich sein könnte.
Er hat vielmehr aufgehört über den Lebensreichtum seines Vaters nach zu denken, bewusst darin zu leben. Im Gegenteil: Er fordert sogar den Lebensreichtum seines Vaters, er reisst ihn an sich, gerade so als wäre die Erwählung, die Berufung und Sendung Israels, zu der auch er als Jude gehört, seine Sache, sein Eigentum (vgl. Lk 15,12-13). Er gibt das alles preis und meint damit aus dem Blickfeld des Vaters endgültig verschwunden zu sein. Was tut er? Er missbraucht diesen Reichtum im Götzendienst, indem er sich den Römern, und damit ihren Gottheiten unterordnet (vgl. Lk 15,13-14).

Aus dem Kontext dieses Gleichnisses können wir den Schluss ziehen, dass es ihm an die Verinnerlichung seines Standes in JaHuWaH gefehlt hatte. Darum fehlte ihm sowohl das Verantwortungsbewusstsein SEINEM Vater, dem Elohim (“Gott”) JaHuWaH und dem Ziel des Vaters gegenüber, damit ebenso die Herzensfreude und Dankbarkeit, die damit gepaart sein wollen. Die tiefere Beziehung zu seinem Vater fehlte offenbar. Um die Vertiefung dieser Beziehung hat er sich zu wenig bemüht. Das Zuhause bei seinem Vater war ihm zur Selbstverständlichkeit geworden. Das kann jedem von uns passieren. Mehr noch: Mit dem, was er zusammen mit dem Vater besessen, aber dann an sich gerissen hatte, verhöhnte er letztlich den Vater vor den Römern, den Götzendienern. Er „endete“ im Mangel, im äussersten Elend. Der Vater aber hatte ihn nie aus den Augen verloren! Dafür sei ER gepriesen.

Manchen von uns geht es sehr ähnlich. Wie schnell gewöhnen wir uns an die Gemeinschaft mit dem himmlischen Vater JaHuWaH, an die unverdiente Gnade. Wir benehmen uns dann so, als hätten wir das verdient, was wir von dem Elohim (“Gott”) JaHuWaH fordern.
Wie schnell verkommt unser Leben aus der Bibel (dem TaNaCH) zu einer Formsache, die keine Umsetzung in die kleinen Dinge des Alltags nach sich zieht. Wie schnell verrennen wir uns vom sorgfältigen Prüfen der biblischen Zusammenhänge in ein kirchliches Theologisieren, in religiöse Phantasien, Phrasen und Rechthabereien und vieles mehr. Dabei verlieren wir die Beziehung zu unserem himmlischen Vater und zu SEINEM Auftrag. Wir fangen an Mangel zu leiden. Uns und unseren Mitmenschen führen wir damit viel Elend zu und geben ein schlechtes Beispiel ab, weil wir ja vorgeben aus dem geoffenbarten und geschenkten Reichtum des TaNaCHs, der Bibel des Jahushua von Nazareth, zu leben.

JaHuWaH will, dass wir jeden Tag und in allen Situationen Nutzen aus der persönlichen Gemeinschaft mit IHM und seinem Wort ziehen. Dass diese Beziehung bewusst, treu und gewissenhaft gepflegt sein will, darüber sind sich die wenigsten Bibelleser im Klaren. Zu leichtsinnig wird ein gepflegtes Innenleben mit JaHuWaH durch oberflächliche und nichtige Argumente (und religiöse Aktivitäten) verdrängt, ersetzt und abgetan. Doch der Umgang mit dem Nächsten offenbart die versteckten Tiefen eines Menschen. Oft sind es Enttäuschungen, Frust, Bitterkeit und Bosheit, unbewältigte religiöse Erfahrungen, die uns fromm getarnt begegnen! Was nun?

Wir werden zu den Hausgenossen JaHuWaHs gezählt. Jahushua und seine Schüler (fälschlicherweise Apostel genannt) waren ja vom Vater JaHuWaH gesandt “verlorene” Träger der Verheissung zu suchen und zu finden. Wir dürfen uns zu diesen Gefundenen zählen – du und ich! Wie uns die Geschichte zeigt, sind viele Juden dieser Aufforderung des Jahushua von Nazareth gefolgt, sonst gäbe es fast keine Juden mehr. Am Ende der Zeiten wird alles Fleisch kommen und JaHuWaH anbeten (vgl. Jes 66, 22-23; 45, 22-25).

Darum sind wir JaHuWaHs Hausgenossen. Wir sollen keinen Mangel leiden müssen, auch im Verhalten unseren Mitmenschen gegenüber. Weder Bitterkeit noch Verachtung sollte unseren Umgang bestimmen. Vielmehr sollten wir uns von dem väterlichen und mütterlichen Verhalten JaHuWaHs tragen und leiten lassen. Je nach Erfahrungen, die wir mit Menschen machen, haben Vorsicht, eine respektvolle Zurückhaltung und ein weiser Umgang ihren berechtigten Platz. Was das Zusammenleben mit anderen Menschen angeht, wollen wir hier keinen frommen Illusionen Raum geben. Die Mitmenschen aber sollen im Laufe der Jahre erfahren und spüren, mit wem wir zusammenleben, aus welchen Quellen wir unser Leben im Alltag speisen.

Damit sind wir beim tiefsten Sinn des biblischen Festes Rosh Hashana (Neujahrsfest) angekommen, das JaHuWaH zu unserem Segen verordnet hat. Nicht nur die Juden feiern dieses Fest des himmlischen Vaters, auch immer mehr kirchlich geprägte Menschen weltweit, die sich mit den Widersprüchen im Christentum auseinandersetzen und nach dem zusammenhängenden Sinn und den Wurzeln unseres Glaubens suchen.

Zu diesem Fest wünsche ich allen ganz herzlich Shalom u’vracha (Frieden und Segen).

Gregor Dalliard

Ankündigungen

Wir laden dich herzlich zu unserem nächsten Bibeltreffen in Finsterhennen ein. Wir treffen uns wieder am 16. Februar 2025 um 14,00 Uhr bei Martin und Kornelia Hunzinger-Schmid, Allmenhag 2, 2577 Finsterhennen. Wir freuen uns ganz fest auf die gemeinsame Zeit! Shalom!

In unregelmässigen Abständen publiziere ich Lebensimpulse (Lims).

Unter dem Kennwort Fragen Leserfragen (Lefs) möchte ich neu auf Leserfragen eingehen. Dabei werde ich auch aufschlussreiche und weiterführende Zusammenhänge anderer zu wichtigen biblischen Themen veröffentlichen.