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Die Liebe zur Thora: "Wie liebe ich deine Thora! Sie ist mein Nachdenken den ganzen Tag" (Ps 119,97) (Talmud, Mischna, Gemara).

Glaubensimpuls 177 von Gregor Dalliard

Den letzten Gim 176 habe ich unter anderem mit dem Vers 97 aus Psalm 119 abgeschlossen: “Wie liebe ich deine Thora! Sie ist mein Nachdenken den ganzen Tag”.

Die Fragen sind berechtigt, ist ein Mensch nicht über alle Masse gestresst, wird er nicht vollkommen durchdrehen, wenn er den ganzen Tag über die Inhalte der Thora nachdenken soll? Kann er unter diesen Umständen noch Zeit zur Erfüllung seiner täglichen Aufgaben finden?

Wie sollte Josua die grossen Aufgaben, die ihm Moshe auferlegte überhaupt erfüllen können, wenn der Auftrag damit verbunden war: “Dieses Buch der Thora soll nicht von deinem Mund weichen, und du sollst Tag und Nacht darüber nachsinnen..” (Jos 1,8). Schon mancher hat sich über diese Anforderung JaHuWaHs den Kopf zerbrochen und JaHuWaH und sein Wort – die Thora – als verrücktes Buch endgültig beiseite gelegt, nachdem er solche Anforderungen JaHuWaHs las.
Ehrlich gesagt, auch mir waren früher solche Anforderungen JaHuWaHs suspekt. Doch was ist damit eigentlich gemeint? Das was damit gemeint ist, ist uns im Zeugnis des Königs über den Umgang mit der Thora sehr gut dargelegt. Ich habe es im letzten Gim bereits zitiert: “Und es soll geschehen, wenn er auf dem Thron seines Königreiches sitzt, dann soll er sich eine Abschrift der Thora in ein Buch schreiben, aus dem Buch, das den Priestern, den Leviten, vorliegt. Und sie soll bei ihm sein, und er soll alle Tage seines Lebens darin lesen, damit er JaHuWaH, seinem Erlöser gehorchen lernt (d. h. auf IHN hören lernt, IHM Ehrfurcht entgegenbringen lernt, das Vertrauen in IHM bewahrt und pflegt), um alle Worte der Thora und diese Ordnungen zu bewahren, sie zu tun, damit sein Herz sich nicht über seine Brüder erhebt und er von dem Gebot weder zur Rechten noch zur Linken abweicht, damit er die Tage in seiner Königsherrschaft verlängert, er und seine Söhne, in der Mitte Israels” (5Mo 17,18-20).
Diese absolut zentrale Lebensweisung stand seit Moshes Zeiten im Mittelpunkt des auserwählten Volkes, nicht erst seit der Entstehung des Königtums. Sie wurde von den Propheten und Pharisäern, d. h. von den Schriftgelehrten immer wieder in die Mitte des Lebens gestellt, wenn das Volk, das Königtum, die Priesterschaft (Sadduzäer) oder übereifrige Pharisäer diese Mitte zu verlassen drohten.
In der berühmten Schule des Pharisäers Rabbi Hillel, aus der auch Jahushua von Nazareth kam, der ebenfalls ein gesegneter Pharisäer war, wurde diese zentrale Lebensnorm folgendermassen zusammengefasst: “‘Höre, Israel: JaHuWaH, unser Elohim, ist EIN EINZIGER; und du sollst JaHuWaH, deinen Elohim, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Verstand und aus deiner ganzen Kraft!’ Das zweite ist dies: ‘Du sollst deinen Nächsten lieben, denn er ist wie du (er hat dieselben Bedürfnisse wie du)’ Grösser als diese ist kein anderes Gebot” (Mk 12,31).

Es ist ganz klar, was wir daraus lernen können: Erstens sollen auch wir im persönlichen Besitze der Thora oder des ganzen TaNacHs (“ATs”) sein. In unseren Breitengraden sollte das heute kein Problem mehr sein. Daraus sollen wir den weisen Umgang mit den oben genannten Weisungen für unser persönliches Leben verstehen und umsetzen lernen. Daraus ergibt sich auch unsere Bereitschaft zu lernen, wie es nicht gemacht werden sollte.

Zweitens sollen auch wir täglich darin lesen, damit wir uns nicht erheben über die Brüder, die Familie, die Mitbewohner, die Nachbarn, die Mitarbeiter, die Glaubensgeschwister, die Kranken, die Versager, die Schuldigen, die Fremden und wen auch immer. Die Liebe zu JaHuWaH ist ja in der ganzen Thora zentral mit der Liebe zum Nächsten verknüpft. Darin bringt der Mensch JaHuWaHs, d. h. der Mensch, der von JaHuWaH gezeugt und geboren ist wie Abraham, seinem Befreier JaHuWaH gegenüber die wahre Anbetung und die IHM gebührende Ehrfurcht vollends zum Ausdruck. Das ist nicht immer einfach, aber das soll allezeit, immer wieder unsere Absicht und unser Streben sein. Ohne diese Absicht, ohne dieses Streben, ist kein Segen und kein Zusammenleben möglich.

Drittens hilft uns die Beschäftigung mit der Thora weder zur Rechten noch zur Linken abzuweichen. Beides ist möglich. Unsere Beziehung zu JaHuWaH kann im Alltag vom gesunden Mittelweg abkommen, indem wir aus wirtschaftlichen oder anderen Überlegungen Recht und Gerechtigkeit unterwandern, mit Unrechtsregierungen zusammenarbeiten, sie damit im Unrecht unterstützen. Übertriebene Religiosität äussert sich in lebensfeindlichen Entscheidungen, die Menschen unnötig belasten. Gleichgültigkeit und Interesselosigkeit JaHuWaH und seinen gesunden Ordnungen gegenüber, kann Menschen ins Elend treiben. In der Thora ist uns die Möglichkeit geboten den Mittelweg zu finden, auf dem Weg der Mitte, d. h. des Segens zu wandeln.

Darum sind wir viertens eingeladen alle Umstände, die auf uns zukommen und alle Entwicklungen im Lichte der Thora neu und aktuell zu beleuchten und zu ordnen. Wir sollen die Dinge des Lebens, die uns neu beschäftigen, nicht einfach so vor uns herschieben. Wir werden aufgefordert nach Lösungen im Lichte der Thora zu suchen und sie zu finden.

Darum ist fünftens das ganz persönliche Lesen des TaNaCHs so notwendig, wie das auch im Leben des Jahushua von Nazareth der Fall war. Selbst wenn ich die Thora und die Zeugnisse der Propheten und die Psalmen in- und auswendig kennen sollte, werde ich beim Lesen der Thora immer wieder neue wegweisende Antworten auf meine Lebensfragen finden, auf die persönlichen Umstände meines Alltags. Ich werde daraus Ermahnung, Trost und Ermutigung schöpfen.
Vergessen wir aber nicht: So vieles in der Thora ist an geschichtliche Ereignisse geknüpft, die uns nicht betreffen, anderes aber ist für immer bleibend. Die gemeinsamen Gespräche und der Austausch über die Inhalte der Bibel des Jahushua von Nazareth, der Thora, des TaNaCHs (“AT”) unter Freunden, am Familientisch, regelmässige Bibelrunden und was auch immer an gemeinsamem Bibellesen möglich ist, soll und will uns dadurch zum Segen und zur Freude werden.

Selbst wenn bei solchen Anlässen nicht immer alles genau gleich verstanden und ausgelegt wird, soll uns das in keiner Weise verunsichern oder entmutigen. Wir dürfen differenzierte Erkenntnisse unter den Teilnehmern niemals als Angriff auf unsere Person verstehen. Vielmehr dürfen wir uns darüber freuen, wenn Menschen überhaupt bereit sind gemeinsam über die Botschaft JaHuWaHs im Leben der Menschen nachzusinnen. Unser ganzes irdisches Leben sollte davon getragen sein. Darüber freut sich der ganze Himmel.

JaHuWaH will das Wachstum der Erkenntnis in SEINEN Willen für jeden Menschen zu jeder Zeit neu entfachen. Dadurch beweisen wir, dass wir mit IHM gehen und unsere Beziehung (Glauben) zu IHM lebendig erhalten und vertiefen. JaHuWaH hat vieles im Leben auf Wachstum und Veränderung ausgerichtet. Das hat er so angeordnet. Er zeigt uns das anhand seines auserwählten Volkes auf seinem langen Weg durch die Menschheitsgeschichte. Das ist einfach wunderbar und fordert viel Wachsamkeit und Fingerspitzengefühl. Das macht die Thora zu einem festen sicheren Floss auf den Wassern des Lebens.

Es gab und gibt laufend Bereiche die der Entwicklung, dem Wachstum und den Veränderungen unterworfen waren und sind. Das zu ignorieren heisst auf dem Buchstaben sitzen bleiben. Das hat tödliche Auswirkungen und macht den Menschen zum Heuchler. Der TaNaCH (“AT”: Thora, Propheten und Schriften) zeigt uns durchgehend, dass der Buchstabe tötet, wenn er nicht ins gegenwärtige Leben übertragen und entsprechend ausgelebt wird. Geschieht das trifft auch bei uns das ein, was der Prophet Shmuel (Samuel) über David bezeugt: “Der Elohim JaHuWaH, der El Eljon, der Höchste, hat sich einen Mann gesucht nach seinem Herzen” (1Sam 13,14). JaHuWaH musste sein auserwähltes Volk durch seine Propheten immer wieder daran erinnern und ermahnen: “Und JaHuWaH hat gesprochen: Weil dieses Volk mit seinem Mund sich naht und mit seinen Lippen mich ehrt, aber sein Herz fern von mir hält und ihre Anwesenheit vor mir nur angelerntes Menschengebot (äusserlich) ist: darum, siehe, will ich weiterhin wunderbar mit diesem Volk handeln, wunderbar und wundersam. Und die Weisheit seiner Weisen wird verlorengehen und der Verstand seiner Verständigen sich verbergen” (Jes 29,13-14).
Wo die Thora nicht durch den ständigen Austausch mit dem Leben und ins Leben umgesetzt wird, geht die Weisheit und der Segen des Lebens verloren (vgl. 1Mo 12,3). Die Verwalter (Hirten) der Thora werden zu Werkzeugen der Heuchelei und der frommen Unterdrückung.

Schon sehr früh haben sich die Menschen des auserwählten Volkes bei ihren Thoraversammlungen Notizen über Auslegungen der verschiedensten Inhalte der Thora gemacht. Wie lebe ich im Lichte der Thora die Ordnungen, Rechtsbestimmungen und Shabbate im praktischen Alltag, damit ich weder zur Rechten noch zur Linken falle, d. h. damit ich mich nicht selbst des verheissenen Segens beraube, der mich so glücklich machen kann? Dem einen wurde während der Bibelversammlung dies, dem andern jenes klar. Rabbiner (Lehrer), welche die Thoraversammlungen leiteten, waren fast täglich damit beschäftigt. Die immer neu anfallenden Dinge des Lebens verlangten nach tauglichen Antworten im Lichte der Thora. Diese wurden dann schriftlich festgehalten. Sie galten als Hilfe und Wegweisung im Alltag, damit die Lesenden weder zur Rechten noch zur Linken abfallen.

Diese Kommentare und Auslegungen wurden später gesammelt. Man nennt diese Sammlung von Anweisungen und Belehrungen Talmud. Talmud heisst auf Deutsch Belehrung, Studium. Diese Kommentare haben allerdings nie die Bedeutung der Thora. Sie sind aber meistens aus zeitlichen Entwicklungen und Umständen heraus entstanden. Als solche waren sie als eine notwendige richtungweisende Hilfe im Leben Thora-treuer Juden, als aktuelle wegweisende Hilfe unentbehrlich. Sie werden nicht umsonst als die mündliche Thora bezeichnet. Sie war und ist für viele Juden eine Lebenshilfe von aussergewöhnlicher Kraft.

Der Talmud besteht aus zwei Teilen, dem älteren Mischna und dem jüngeren Gemara. Die Mischna ist die erste grössere Niederschrift der mündlichen Thora, der Kommentare zur Thora. Da aber die Entwicklung des Lebens weitergeht, mussten zu den Texten der Mischna neue Kommentare gemacht werden. Diese werden Gemara genannt. Die Gemara erläutert und ergänzt also den Stoff der Mischna, der mündlichen Überlieferung. Beide zusammen machen den Talmud aus. Er liegt in zwei Ausgaben vor, dem Babylonischen (Talmud Bavli) und dem Jerusalemer Talmud (Talmud Jeruschalmi).
Wenn wir uns zu unseren Bibelversammlungen einfinden machen wir im Prinzip dasselbe wie die jüdischen Vorväter und Väter das immer schon gemacht haben. Wir machen uns bestimmte Notizen zu Themen, die uns gerade beschäftigen. Das macht das Leben mit JaHuWaH im Umgang mit seinem Wort so interessant. Darauf liegt ein grosser Segen und der innere Friede.
Nun, wie gehen die christlichen Kirchen und Gemeinschaften z.B. mit der Aussage um: “Wie liebe ich deine Thora! Sie ist mein Nachdenken den ganzen Tag” (Ps 119,97)? Darüber wollen wir uns im nächsten Gim Gedanken machen.

Von Herzen wünsche ich allen einen gesegneten Shabbat und viel Freude auf dem Weg mit JaHuWaH, im Lichte der Thora – der Weg den übrigens auch Jahushua suchte und ging. Shalom!

Gregor Dalliard

Ankündigungen

Wir laden dich herzlich zu unserem nächsten Bibeltreffen in Finsterhennen ein. Wir treffen uns wieder am 17. November 2024 um 14,00 Uhr bei Martin und Kornelia Hunzinger-Schmid, Allmenhag 2, 2577 Finsterhennen. Wir freuen uns ganz fest auf die gemeinsame Zeit! Shalom!

In unregelmässigen Abständen publiziere ich Lebensimpulse (Lims).

Unter dem Kennwort Fragen Leserfragen (Lefs) möchte ich neu auf Leserfragen eingehen. Dabei werde ich auch aufschlussreiche und weiterführende Zusammenhänge anderer zu wichtigen biblischen Themen veröffentlichen.